Artist Statements

Artist Statements 

Februar 2021

Manchmal sehne ich mich so sehr danach Landschaften zu malen, so als würde man einen
langen Spaziergang machen, um sich zu erfrischen, und in der ganzen Natur, zum Beispiel
in Bäumen, sehe ich Ausdruck und Seele.  
Van Gogh 10. Dezember 1882

Das Erleben von Landschaft hat für mich, wenn ich mich tief darauf einlasse, eine Dimension,
die über das Reinphysische hinausweist. Mein malerisches Forschen lotet Möglichkeiten aus,
eine Durchlässigkeit für diese Dimension in meinen Bildern erahnbar zu machen.

Ein initiatorisches Erlebnis für dieses Suchen war 2016 meine Pilgerwanderung auf dem
Franziskusweg, von Florenz nach Assisi. Der zum Teil sehr beschwerliche Weg durch den
urwüchsigen, einsamen, umbrischen Wald, der mich nicht selten an meine Grenzen brachte,
löste unerwartet einen Wendepunkt in meiner Malerei aus, weg von der reinen Abstraktion
hin zur Landschaftsmalerei. Die zunächst künstlerisch eher absichtslosen Handyfotos, die
ich unterwegs von faszinierenden, meist recht abstrakt wirkenden Landschaftsausschnitten
machte, lösten erst in meinem Atelier den Impuls aus, mit ihnen künstlerisch zu arbeiten.

Zunächst galt es jedoch deutliche Widerstände in mir zu überwinden: Kann ich mich einem
so traditionellen Genre wie der Landschaftsmalerei zuwenden? David Hockney berichtet in
einem Interview zur Ausstellung „The Joy of Natur“ darüber, wie die selben Zweifeln an ihn
herangetragen wurden, als er begann Landschaften zu malen.  Er antwortete „Warum,
weil die Landschaften langweilig werden? Es sind nicht die Landschaften, die langweilig
werden, sondern die Landschaftsbilder die langweilig sind, weil heute keiner mehr auf-
regende Landschaften malt. Und ich dachte, man kann nicht gelangweilt sein von der
Natur, es gibt unendliche und aufregende Motive in der Natur, van Gogh wußte das….“ *
Und ja ich weiß es nun auch, denn schon meine ersten Studien haben mich sofort für
das spannende neue Thema begeistert und die Faszination hält immer noch beständig an.

Zu Beginn habe ich mich mit den noch eindrücklichen Motiven des Pilgerweges beschäftigt,
aber schon bald drängten sich mir auch Motive meiner nächsten Umgebung auf.
Ich habe mein Atelier seit sechs Jahren Mitten im Wald! Doch manchmal muss man erst in
die Ferne schweifen um zu erkennen dass das Interessante so nah ist. Und es brauchte
noch etwas länger um die Bedeutung meines Namens „Sylvia“, der ja seinen Ursprung im
lateinischen „silva“, „der Wald“ hat, anzuerkennen.

Die Serien „Light Trap“ und „Alder Swamp“ sind von der Erlenbruchland-
schaft der Briese in Brandenburg inspiriert. Seit dem Sommer 2017 beschäftige ich
mich intensiv mit dieser faszinierenden Sumpflandschaft. Ich erkunde die Landschaft zu
allen Jahreszeiten und halte interessante Landschaftsausschnitte fotografisch fest. Das
Foto erfüllt für mich die Funktion einer Erinnerung an die innere Resonanz und der
Dokumentation des Gesehenen meiner unmittelbaren Naturerfahrung. Meine malerische
Verarbeitung dieser Erfahrung erfolgt in meinem Atelier. In der Spannung der inneren und
äußeren Erfahrung findet der künstlerische Prozess des Entstehenlassens des Bildes statt.

Ich beginne meinen Malprozess mit einer intensivfarbigen Untermalung, die im vollendeten
Bild teilweise durch die oberen Farbschichten scheint und so der Landschaft von hinten ein
subtiles Licht verleiht. Das folgende sukzessive Übermalen der leuchtenden Fläche erzeugt
in mir eine große Wachheit. Ich erforsche das Spannungsverhältnis zwischen dem Vorder-
gründigen und der Tiefe des Bildraums. So schaffe ich in meinen Wasserlandschaften einen
starken Kontrast zwischen der betonten Flächigkeit der gemalten Wasserlinsenfelder und
dem, was „dazwischen“ und „dahinter“ sichtbar wird. Die Ufervegetation und Baumstämme
im Wasser sind in nuanciertem Farbauftrag gemalt und deren Spiegellungen auf der Wasser-
fläche erhalten durch feine tiefblaue Farblasuren eine intensive Tiefenillusion. In den neusten
Arbeiten der Serie „Alder Swamp“ verwandelt sich die einheimische Erlenbruchlandschaft
immer mehr in eine tropisch anmutende, üppig wuchernde Vegetation und wird so zu einer
universellen Urlandschaft.

* David Hockney, Katalog zur Ausstellung „The Joy of Nature“, S. 155, Amsterdam, 2019